Systemübergreifende Prüfung der Brandfallsteuerung von technischen Anlagen, VDI 6010 Blatt 3
Bauherren, Planer, Errichter und Betreiber werden in modernen Gebäuden zunehmend mit komplexen Vernetzungen von technischen Anlagen konfrontiert. Um ein funktionierendes Zusammenwirken aller technischen Anlagen zu gewährleisten, sind systemübergreifende Prüfungen erforderlich, da zur Gesamtfunktion der Gebäude nicht nur die bauordnungsrechtlichen Sicherheitsfunktionen, sondern auch die normalen Nutzungsfunktionen gehören.
Mit einem Vollprobetest kann das Zusammenwirken aller in einem Gebäude vorhandenen Systeme zur Sicherstellung der Gesamtfunktion getestet werden. Der Vollprobentest umfasst dabei die bauordnungsrechtlich geforderte Wirk-Prinzip-Prüfung, nutzungsspezifische Prüfungen und der Schwarzschaltung des Gebäudes. ?Hier bietet die VDI 6010 Blatt 3 standardisierte Prozessabläufe für den Ablauf der Vollprobetests und Wirk-Prinzip-Prüfung, für die es bislang keine einheitliche Vorgabe in den Prüfverordnungen und Prüfgrundsätzen gibt. Dabei werden auch Funktionen für Betriebszustände bei außergewöhnlichen Ereignissen geprüft.
Ein solcher Betriebszustand tritt z. B. durch Störfälle
ein, wie:
- Brandfall
- Ausfall der Versorgung (Medien und Endenergie)
- Einbruch oder Überfall
- Überschwemmung
Die rechtlichen Grundlagen für einen Vollprobetest ergeben sich aus privatrechtlichen Anforderungen. Ein wichtiger Bestandteil des Vollprobetests kann die Wirk-Prinzip-Prüfung sein, die auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Anforderungen wie dem Bauordnungsrecht durchzuführen ist. Außerhalb der öffentlich-rechtlichen Anforderungen können z. B. aus Mietverträgen weitere Anforderungen abgeleitet werden. Die rechtlichen Anforderungen sind z. B. aus den folgenden Regelungen ableitbar:
- Verkehrssicherungspflicht nach BGB
- Bauordnungen der Länder inklusive Sonderbau-Verordnungen
- Baugenehmigung
- Prüfverordnung
- Prüfgrundsätze
- eingeführte Technische Baubestimmungen (ETB)
- Brandschutznachweis, gegebenenfalls Brandschutzkonzept
- Brandmelde- und Alarmierungskonzept nach DIN 14 675
- Notfall-/Sicherheitskonzepte (DIN EN 81-28 – Fern-Notruf für Personen- und Lastenaufzüge)
- Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV; Verweis auf VDI 3810)
- Technische Regeln für Betriebssicherheit
- Technische Regeln für wassergefährdende Stoffe oder Gefahrstoffe
- Verwendbarkeitsnachweise, z. B. nach Bauregelliste
- vorgeschriebene Instandhaltungsintervalle, z. B. normativ oder über den Hersteller
- versicherungsrechtliche Anforderungen
- Anforderungen aus einem störungsfreien Betriebsablauf
- Anforderungen zum Schutz vor Datenverlust
- Arbeitsschutz- und berufsgenossenschaftliche Regeln
- weitere Regeln der Technik
Ein Vollprobetest ist durchzuführen, wenn
- diesbezüglich bauordnungsrechtliche Anforderungen an die sicherheitstechnischen Anlagen gestellt sind und diese in vernetzten Systemen sicherheitstechnische Funktionen erfüllen müssen (Wirk-Prinzip-Prüfung), oder
- wenn es weitere Kriterien gibt, die eine Prüfung der Gesamtfunktionalität sonstiger vernetzter Anlagen verlangen.
Somit ist der Vollprobetest auch für die Überprüfung und als Nachweis der Funktionen und Wechselwirkungen mehrerer vernetzter nicht sicherheitsrelevanter Anlagen durchzuführen (zusätzliche Prüfung).
Mit dem Vollprobetest kann eine erfolgreiche und dokumentierte Prüfung des Gesamtsystems erreicht werden und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit der Prüfhandlungen für den Bauherren/Betreiber verbessert werden, indem z. B. Mehrfachprüfungen vermieden werden. Als Basis für einen Vollprobentest dient in der Regel die Brandfallsteuermatrix ( siehe VDI 6010, VDI 6010 Blatt 2).